On-Board-Diagnose
Modellbasierte Fehlererkennung und -diagnose im Bereich der Motorsteuerung
Einleitung:
Im Allgemeinen besteht der Kern jeder
Fehlerdiagnose in (technischen) Systemen aus der Identifikation von
Abhängigkeiten zwischen (beobachteten) Fehlern (z. B. unerwartete
Zustände werden erreicht oder erwartete Ereignisse bleiben aus) und
deren Ursachen. Im Bereich der Motorsteuerung ist schon heute ein
wesentlicher Teil der Steuerungssoftware für die Überwachung
zuständig (z. B. Unterbrechungs- und Kurzschlussüberwachung der
elektrischen Leitungen von Sensorik und Aktorik und eine grobe
Plausibilitätsüberprüfung der Sensorsignale untereinander). Mit
solch einfachen Methoden ist es jedoch weder möglich umfassende
Fehler im Bereich des Motors frühzeitig zu erkennen, noch eine
Diagnose, also das Schließen auf Ursachen, durchzuführen. Das
Prognostizieren von Folgefehlern aufgrund von beobachteten Fehlern,
wird ebenfalls nicht durchgeführt. Durch Verwendung von
analytischem Prozesswissen in Form mathematischer Modelle erlauben
modellbasierte Fehlererkennungs- und Diagnosemethoden interne
Prozessgrößen zu ermitteln und so auf rechnerischem Weg eine
Erkennung, Diagnose und Bewertung von Fehlern durchzuführen. Die
zur Diagnose notwendigen Kausalitäten zwischen Fehlerursache und
Fehler (auch: "Symptom") werden in diesen Ansätzen im
Allgemeinen durch intensive Gespräche in vielen Expertenrunden
ermittelt. Die Repräsentation der Abhängigkeiten in (semi-)
formalen Tabellen dient dann als Grundlage zur
Fehlerdiagnose.
Fokus:
Hier soll eine Möglichkeit vorgestellt werden, ausgehend von einem
formalen Petrinetz-Systemmodell (auch Funktionsmodell oder primales
Modell) mittels rein formaler, mathematischer Transformationen ein
Fehlermodell (auch Diagnosemodell oder duales Modell) zu berechnen
und in diesem sowohl die Ursachensuche aufgrund von beobachteten
Fehlern (Fehlerdiagnose) als auch die Voraussage von Folgefehlern
(Fehlerpropagation) zumindest grundsätzlich zu ermöglichen. Im
Kontext des Projektes wird diese Methodik am Ansaugsystem (oder an
der "Luftstrecke") eines turbogetriebenen Motors
durchgeführt. Eine stark vereinfachte Sicht auf eine solche
Luftstrecke ist in Bild 1 dargestellt.

Bild 1: Vereinfachte Darstellung einer ?Luftstrecke? in
einem Kompressormotor
Methode:
In Bild 2 ist das formale Systemmodell (in Form eines höheren
Petrinetzes) abgebildet ? aus Geheimhaltungsgründen wurden
die Kantenanschriften sehr stark vereinfacht.
Bild 2: Das Systemmodell mit erwarteten Druckwerten für
Drosselklappe (DK) = 1
Das zum primalen Netz aus Bild 2 duale Netz ist in Bild 3 zu sehen:
Stellen wurden durch Transitionen und Transitionen durch Stellen
getauscht, die Kanten haben ihre Richtung gewechselt und sind nun
mit den entsprechenden adjungierten Abbildungen annotiert.

Bild 3: Diagnosemodell
Durch diese "Dualisierung" werden Stellenmarkierungen
zu Transitionenmarkierungen transformiert. Die Markierungen von
Transitionen können als potentielle Schaltereignisse (im Kontext
höherer Netze: potentielle Schaltmodi) interpretiert werden. Auf
Basis dieser Interpretationen diagnostiziert man mittels
Fixpunktberechnungen zu beobachteten (Fehl-)zuständen die (ggf.
Menge von Alternativen) Ursachen(kombinationen).

Bild 4: Potentielle Fehlerräume an
zwei verschiedenen Arbeitspunkten (rechts: Arbeitspunkt:
?Vollgas?, links: Arbeitspunkt
?Standgas?).
Ausgehend von den beobachteten Fehlern an verschiedenen
Arbeitspunkten (hier: zwei Arbeitspunkte), werden die potentiellen
Schaltmodi der Transitionen und die potentiellen (Vorgänger-)
Zustände der Stellen durch eine Fixpunktberechnung jeweils
eingeschränkt ? man erhält so für jeden Arbeitspunkt einen
möglichen Fehlerraum (bzw. "Ursachenraum"). Die
tatsächliche Ursache bzw. Ursachenkombination muss nun in der
Schnittmenge dieser einzelnen Räume liegen.

Bild 5: Visualisierung der Ursachenkombination
Die Ursache zu einem beobachteten Fehler könnte beispielsweise eine
Kombination aus defektem Saugrohr und defektem Bypassventil sein
? mit dem skizzierten Ansatz sind also auch
Mehrfehlerdiagnosen möglich.